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Authentizität
als Darstellungsform
Das Graduiertenkolleg hat seinen Authentizitätsbegriff zunächst bewußt nicht allgemein und abstrakt, etwa modelltheoretisch, zu entwickeln versucht, sondern über die Diskussion spezifischer historischer Formen und ‘Fälle’ medialer Kommunikation; oder über historische Authentizitäts-Theoreme - etwa der antiken Rhetorik. Ausgangspunkt dieser Diskussion war ein kritisch anti-ontologisch gerichteter Begriff von Authentizität. In medialer, ästhetischer wie nichtästhetischer Kommunikation sei Authentizität grundsätzlich als Form, Resultat bzw. Effekt medialer Darstellung aufzufassen und nicht, wie häufig von Kommunikanten selbst, aber auch in vielen kommunikationsprogrammatischen Arbeiten angenommen, als eine Wesenheit oder Qualität, die von der Form der Darstellung abtrennbar wäre bzw. ihr vorausläge. So sehr sich nun im GK durch theoretische Reflexionen und historische Fallanalysen die Position erhärten ließ, wonach man es bei Authentizität mit keiner Wahrheitsqualität an sich zu tun habe, die durch die jeweilige Form der Darstellung adäquat oder inadäquat zur Erscheinung gebracht werden könnte, so sehr zeigte sich zugleich, daß es ein Bedürfnis nach eben solcher Wahrheitsqualität gab und gibt, eine Art Sehnsucht nach Authentizität - und dies sowohl bei Produzenten wie Rezipienten. Aus den, diesen Widerspruch umkreisenden Diskussionen entstand das Interesse an einer allgemeinen Formulierung, die a) auf alle einzelnen Fragestellungen anwendbar sein und b) den spezifischen Erkenntnisanspruch der einzelnen Untersuchungen nicht beschneiden sollte. Die Klassifikation der Parameter bei der Bestandsaufnahme des bereits Geleisteten erlaubte, die speziellen gegenstandsbezogenen Authentizitätsdiskurse, ‘Fälle’ von Authentizität bzw. Authentifizierung strukturell zu verorten. Damit war das Ausgangsmaterial zu einer Topologie des Authentischen bereitgestellt. An ihr wurden in der Folge die projektiven Überlegungen in Hinsicht auf Erweiterung, Spezifizierung und Komplizierung der Gegenstandsfelder des GK orientiert. Im Anschluß und als Resultat einer
von Kollegiaten und Dozenten gemeinsam unternommenen Bestandsaufnahme entstand
folgende Authentizitäts-Formulierung:
Jede Darstellung aspektiert das Dargestellte,
vereinseitigt es, legt sich darüber wie eine opake Schicht. Denn es
kann immer verschiedene Darstellungen eines Themas geben, die sich durch
die Art des Darstellungsmittels, durch die Fähigkeiten und Interessen
der Darstellenden usw. unterscheiden. Durch den Begriff der Darstellung
selbst ist bereits ausgeschlossen, daß es von einem Thema nur eine
einzige Darstellung geben könnte.
Zusammenfassend läßt sich definieren
(im folgenden „Auth. Def.“):
a) Entscheidet man sich dafür,
Authentizität
nicht als Paradox zu lesen, ist man der Meinung, daß es innerhalb
der verwendeten Darstellungsverfahren bestimmte Verfahrensweisen gibt,
die es erlauben, die Vermitteltheit der Darstellung zu durchbrechen, Unmittelbarkeit
herzustellen. Zu beobachten ist dies bei Fällen von quasi magischer
bzw. autopoetischer Darstellung (exemplarisch Kultbilder, kultische Bildlegenden
usf.). Paradigma wäre in solchen Fällen zum einen die Idee einer
bloß benennenden, nicht mehr kategorisierend bezeichnenden Sprache,
zum anderen die Idee eines reinen Wahrnehmens, das von der Evidenz des
Wahrgenommenen ‘überwältigt’ wird, schließlich die Idee
eines ‘vollständigen’, vollständig ‘unverstellten’ Selbstausdrucks
des Darstellenden (Zwangsdarstellungen, unwillkürliche Darstellungen).
b) Wird Authentizität als Darstellungsparadox gelesen, ist ausgeschlossen, daß es möglich sei, mit Darstellungsmitteln etwas so darzustellen, als sei das Dargestellte von diesen Darstellungsmitteln nicht aspektiert. Dennoch ist die dezidiert ‘kritische’ Einsicht ins Paradoxale von Authentizitätsdarstellung nicht notwendig der einzige Blick auf die Sache, die einzige Verständnisweise, und ein Beobachter muß Authentizität nicht unbedingt als Täuschungsversuch, Lüge usf. verurteilen. Gerade der vermeintliche Mangel, der den Eindruck des Paradoxalen hervorbringt, kann den Beobachter für die Darstellung einnehmen: wenn diese sich in seinen Augen als Darstellung darstellt. Sie interessiert dann nicht, oder nicht primär, in Hinblick aufs Dargestellte, sondern im Hinblick auf ihren Status als Darstellung: gerade die Partialität, Aspektierung und Einseitigkeit macht den Status transparent - womit eine Bedeutung generiert wird, die man Selbstauthentifizierung nennen könnte (Spiel mit Herausgeberfiktionen, dekonstruktivistische Rollenspiele; in der Literatur, im Drama, im Film). |